Der Bosnien-Hilfstransport Bericht
Bevor davon berichtet wird, wie therapeutisch es für den Allerwertesten ist, 18 Stunden in einem kleinen Transporter zu sitzen und von Bottrop nach Bihać, der ersten Station des diesjährigen Hilfstransport nach Bosnien Herzegowina, zu tuckern, stellen wir die einzelnen Beteiligten kurz vor.
Vom Verein "Aktion Leben und Lernen in Bosnien e.V." grüßt der Michael, für den es der erste Hilfstransport ist. Eine Premiere ist es ebenfalls für die Doro, Unterstützerin bei "Aktionen – Stiftung für Menschen in Not" aus Castrop-Rauxel. Der Herbert, der in beiden Organisationen aktiv ist, ist der erfahrene Hase an Bord. Er begleitete bereits mehrere Hilfstransporte und wird vor Ort wie ein alter Bekannter empfangen. Doch zurück zum Transporter. Der transportierte nicht nur menschliche Fracht, sondern zog zusätzlich einen Anhänger befüllt mit Kleidung, Spielwaren, drei Betten, Rollatoren und einen Rollstuhl für die Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, "Radosti Druženja". Die Artikel werden im Hause selbst verwendet oder an Bedürftige vor Ort verteilt. Neben den Sachspenden erhielt die Leiterin Mirsada Hodžić Geldspenden beider Organisationen in Höhe von 400,- Euro.
Am nächsten Tag ging es für das Trio zum Roten Kreuz der Stadt. Dies ist vor allem für sein Wirken im Flüchtlingslager in Bihać bekannt geworden. Nachdem zahlreiche andere Organisationen ihre Hilfe vor Ort bereits eingestellt haben, bleibt man unermüdlich. Da können die Behörden noch so häufig den Ort des Lagers wechseln, die Mitarbeiter des "Crveni Križ" finden immer ihren Weg und versorgen die auch heute noch dort verweilenden Flüchtlinge mit regelmäßigen Essenausgaben und weiteren guten Taten.
Diese Arbeit, wie auch die alltäglichen Angelegenheiten, um die sich das Rote Kreuz in der Stadt kümmert, wird von der "Aktion Leben und Lernen in Bosnien e.V." mit einer Geldspende in Höhe von 1.900 EUR und von den "Aktionen – Stiftung für Menschen in Not" mit einer Spende in Höhe von 640 EUR unterstützt, die Selam Midžić, der Verantwortliche des Roten Kreuzes der Stadt Bihać dankend in Empfang nahm.
Alle Geldspenden stammten aus entsprechenden Sammelaktionen, die die beiden Vereine bereits 2020 durchführten. Allen Spender*innen sei an dieser Stelle erneut gedankt! Wir hätten das Geld gerne früher in die lokalen, helfenden Hände übergeben, aber wie so oft erschwerte die Pandemie auch hier die Situation.
Von Bihać ging es nach Jajce. Die knappe Google Maps Anweisung, ca. 150km der Landstraße M5 zu folgen und man wäre am Ziel, machte diesen Teil der Reise so einfach wie beschaulich. Umgeben von bewaldeten Berglandschaften und dem ersten Hauch von Schnee, schlängelt sich die M5 an diversen Flüssen entlang, durch so manche Ortschaft und an so mancher Tankstelle vorbei, ehe man auf halber Strecke nach Sarajevo in Jajce landet.
Einer einzelnen, großzügigen und vor allem regelmäßigen Geldspende ist es zu verdanken, dass wir dem Direktor der örtlichen Schule, wie schon in den Jahren zuvor Unterstützung für das Frühstücksprogramm der Schule überreichen konnten.
Die Schule betreut ca. 600 Kinder, wobei nur die Hälfte selbst in das Schulgebäude in die Stadt kommen. Die übrigen verteilen sich auf Dorfschulen mit teilweise nur fünf bis sechs Schüler*innen. Nicht nur während der Coronazeit macht es sich die Schulleitung zur Aufgabe, die Schüler*innen mit einem Pausenbrot zu versorgen, was die Lehrer*innen in die Dörfer bringen.
Auf die Frage nach der Zukunft der dörflichen Jugend, gab es eher bedrückte Blicke. Auch wenn die Schulen von der ersten bis zur neunten Klasse durchgängig sind, endet die Schulpflicht in Bosnien nach der Grundschulzeit. Da ist es nicht verwunderlich, dass in der prekären Situation in den Dörfern statt der Bildung das Geldverdienen Priorität hat. Die Jugendlichen verbleiben entsprechend als Arbeiter auf den Höfen der Eltern, verdingen sich als Hilfsarbeiter in den nahegelegenen Städten oder versuchen ihr Glück in Europa. Gerade letzteres ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass ein deutscher Minijobber im Monat mehr verdient als die Lehrer*innen in Bosnien.
Im zweiten Abschnitt der Etappe blieb man der M5 treu und es ging weiter gen Osten nach Fojnica. Dort befindet sich das zweite Ziel dieser Etappe, die größere Einrichtung für psychisch und körperlich Behinderte, DRIN. (Nebenbemerkung für die phonetisch Interessierten: DRIN reimt sich auf Wien)
Einem kleineren Krankenhaus nicht unähnlich, werden hier ca. 500 Klient*innen meist dauerhaft stationär behandelt oder in Wohngruppen im umliegenden Gebiet betreut. Um den Alltag zu gestalten, gibt es diverse Werkstätten, in denen z. Bsp. Taschen genäht oder Schmuckkästchen aus Holz gebaut, verziert und schließlich zum Verkauf angeboten werden. Auch Alltägliches wie Wäsche waschen oder das Haare schneiden, wird von den Bewohner*innen selbständig erledigt.
In naher Zukunft kann, dank der großzügigen finanziellen Unterstützung der "Aktionen – Stiftung für Menschen in Not", ein Keramikofen angeschafft und somit das Beschäftigungsangebot der Bewohner*innen um einen nicht unwesentlichen Punkt bereichert werden!
In Sarajevo trifft das Trio auf Samir, einem weiteren Mitglied des Vereins "Aktion Leben und Lernen in Bosnien e.V.", der die Herbstferien mit Familie in der bosnischen Hauptstadt verbringt. Zusammen mit seiner Mutter, die hier lebt, begrüßt er uns an der nächsten Station des diesjährigen Hilfstransports, dem Centar za Zdravo Starenje Novo Sarajevo (übersetzt: das Zentrum für gesundes Altern in Neu-Sarajevo).
Das vor über zehn Jahren von der Stadt ins Leben gerufene Projekt ist viel mehr als eine simple Begegnungsstätte für Senior*innen, für die man sie aufgrund des Namens halten könnte. Schon vor dem ersten obligatorischen Tässchen Kaffee wird klar, dass "Jungbrunnen" eine definitiv passendere Bezeichnung wäre!
Das Centar befindet sich inmitten 20-stöckiger Plattenbauten, deren dürftig verspachtelte Fassaden noch heute vom Krieg erzählen. Ein junges, sehr engagiertes Team aus Haupt- und Ehrenamtler*innen sorgt für ein vielfältiges und abwechslungsreiches Angebot, wobei die Besucher*innen auch viel in Eigenregie machen.
Nach dem Frühsport, gerne in Kooperation mit Schulen und Kindergärten, können die künstlerisch Interessierten in Mal-, Stick- und Bastelkursen ihre Fingerfertigkeit unter Beweis stellen. Es wird gemeinsam gekocht, getanzt und gefeiert, und wenn die Beine nicht mehr wollen, setzt man sich zusammen und plaudert bei Kaffee und Kuchen. Für die Sportlicheren steht sogar eine Tischtennisplatte zur Verfügung. Da kann der bisherige Rentner*innen-Alltag, der uns als eine Mischung aus Fernsehgucken und Mittagsschläfchen beschrieben wird, nur alt aussehen. Es verwundert also nicht, dass mittlerweile mehrere Stadtteile Sarajevos über ihre eigenen Zentren verfügen.
Dank der Organisation Labdoo, aus Mülheim, die uns mit Laptops und PCs versorgte, können wir unserem Lernauftrag gerecht werden und das Projekt mit Zugängen zu den neuen Medien ausstatten. Es sind bereits Kurse geplant, in denen Interessierte an die digitale Welten und das Internet herangeführt werden sollen. Auch die Kontaktaufnahme z. Bsp. zu den Enkel*innen via E-Mail, Social Media und sogar per Webcam steht auf der Agenda.
Nach vielen Umarmungen, einer kleinen Autopanne, sowie einem Auftritt im lokalen Fernsehen, lassen wir den Tag mit einem Besuch der Altstadt ausklingen. Samir erwies sich als gelehrter und begeisternder Fremdenführer, so dass wir von seiner Grundschule über der ewigen Fackel bis hin zur Stelle an der Franz Ferdinand unfreiwillig den ersten Weltkrieg auslöste, alle wichtigen Ecken der Stadt kennenlernen konnten.
Hotonj. Hier entleerten wir unseren Transporter vollends und brachten PCs und Laptops - erneuter Dank an Labdoo, die uns schon bei früheren Transporten spendabel unterstützten - sowie die von dem Gymnasium St. Christophorus in Werne gesammelten Schultornister in die Aula. Die Klasse, die wir dabei beim Diktat störten, nahm uns die Unterbrechung sichtlich nicht übel.
Einen weiteren Schwung PCs, die wir aus privater Hand erhielten, sowie die Hälfte der Tornister landeten einen Tag später in einer Schule in Kalesija. Die PCs werden dort an Dorfschulen übergeben. Die Schule in Kalesija ist uns seit 2019 bekannt, als wir eine erste Lieferung Computer überbrachten, damit man dort das Fach Informatik sinnvoll unterrichten kann.
Zurück in Bihać schloss sich der Kreis unseres diesjährigen Hilfstransports, als wir einer Einladung des Roten Kreuzes folgten, das dortige Flüchtlingslager zu besuchen. Man zeigte uns zuerst die angemieteten Hallen, in denen die aktuell knapp 50 "Crveni Križ"-Mitarbeiter die Wäsche der Flüchtlinge waschen sowie die drei täglichen Mahlzeiten zubereiten, bevor es ins Lager selbst ging.
Dies ist nach einigem hin und her ins Niemandsland nebst Lipa, einem Nachbarort von Bihać, verlegt worden und besteht aktuell noch aus zwei Teilen. Einem alten, in dem die knapp 650 (Stand letzte Woche; die im umliegenden Gebiet in den Wäldern hausenden Flüchtlinge nicht mitgerechnet) in großen, zugigen Zelten ihr Dasein fristen, und ein neuer Teil, der von der International Organization of Migration betrieben wird. Dies war bei unserem Besuch aber noch nicht bewohnbar, da es an Strom mangelt, auf den man bereits seit Mitte September wartet.
Da zeigte sich das lokale Rote Kreuz flotter: Ein Teil unserer am ersten Tag überbrachten Spende war an diesem Mittwoch bereits in 700 Mützen umgewandelt worden, die während der Essensausgabe mitverteilt wurden. Aufgrund des nahenden Winters und der Tatsache, dass bei der Flüchtlingssituation kein Ende in Sicht scheint, wird dies nicht die schlechteste Investition gewesen sein.
Zu guter Letzt möchten wir von der Stiftung "Aktionen - Stiftung für Menschen in Not" erneut ein großes Danke aussprechen. Dank an unseren Kooperationspartner "Aktion Leben und Lernen in Bosnien e.V", an die vielen Engagierten vor Ort, die sich Tag für Tag für die Kinder und Bedürftigen in Bosnien einsetzen! Dank an die großzügigen Spender*innen in Deutschland, die dafür sorgten, dass wir überhaupt etwas zu überbringen hatten! Und Dank an all jene, die uns so selbstlos beim Transport unterstützten!